Im Zentrum der Natural Running-Philosophie steht eine geänderte Lauf-Technik. Sie ist durch kurze Schritte und das Aufsetzen des gesamten Fußes gekennzeichnet. Bein-, Körper- und Armhaltung verändern sich ebenso wie die Körperstatik.
Natural Running macht zudem das Barfußlaufen oder das Laufen mit Barfußschuhen zu einem wichtigen Element innerhalb des Trainingsplans.
Laufstil: natürlich, ursprünglich und schneller
Natural Running, zu Deutsch „Natürlich Laufen“, zielt darauf ab, durch einen natürlichen, ursprünglichen Laufstil leistungsfähiger und schneller zu werden und zugleich das Verletzungsrisiko zu minimieren. Muskeln und Sehnen in Füßen und Beinen greifen wieder aktiver in die Bewegungskontrolle und die Dämpfung ein.
Eine Philosophie, die sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren kontinuierlich unter Läufern auszubreiten scheint. Zu den Mitbegründern zählen der Sportmediziner Dr. Matthias Marquardt und der russische Wissenschaftler und Trainer Dr. Nicolas Romanov.
Natural Running und „Zivilisations“-Laufstil
Natural Running steht durch seinen Ansatz im Widerspruch zum verbreiteten “Zivilisations”-Laufstil, dem Rückfußlaufen, bei dem der Läufer größere Schritte macht und den Fuß mit der Ferse zuerst aufsetzt.
Aktive Dämpfungs- und Kontrollfunktionen des Körpers werden durch diesen Laufstil zum Teil inaktiviert. Denn das Aufsetzen des Fußes mit der Ferse dehnt Muskeln und Sehnen passiv vor, anstatt sie aktiv vorzuspannen. Die Hersteller von Laufschuhen haben passend zum verbreiteten Laufstil Laufschuhe entwickelt, die Dämpfung und Bewegungskontrolle teilweise übernehmen.
Zugleich fördern herkömmliche Laufschuhe ihrerseits den klassischen Laufstil: So führen beispielsweise erhöhte Dämpfungselemente im Fersenbereich dazu, dass ein Höhenunterschied zwischen Ferse und Zehen entsteht. Sportwissenschaftler bezeichnen ihn als Fersensprengung. Die Folge: Die Läufer tendieren stärker dazu, mit der Ferse zuerst aufzusetzen.
Natural Running: Mehr als nur Lauf-Technik
Wer jetzt denkt, Natural Running bedeute ausschließlich eine Umstellung des Laufstils, der verengt die Bewegung auf den lauftechnischen Blickwinkel. Den Begründern scheint es vielmehr um die Wiederentdeckung des Schlichten und natürlich Gegebenen zu gehen, um eine Art der Fortbewegung, die ohne technologische Errungenschaften auskommt.
Und genau darin sieht die Natural Running-Bewegung den entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Lauf-Trends, die stärker von Hightech-Equipment geprägt sind. Wer Natural Running in den eigenen Trainingsplan integriert, der sollte sich zuerst darauf konzentrieren, Wahrnehmung und Sensibilität für den eigenen Körper wieder zu entdecken und weiter zu entwickeln.
Auf Basis dieser Eigenschaften lassen sich die Umstellungen in Punkto Laufstil besser und mit Bedacht bewerkstelligen. Sie stellen die wichtigsten Voraussetzungen für einen maximalen Trainingseffekt dar und können gleichzeitig dazu beitragen, das Verletzungsrisiko zu senken.
Natural Running-Lauftechnik
Die Natural Running-Lauftechnik bildet den Mittelweg zwischen dem unter Hobby-Läufern weitverbreiteten Rückfußlauf und dem so genannten Vorfußlauf. Der Fuß setzt mit der gesamten Fläche auf, weswegen ihn Sportwissenschaftler auch als Mittelfußlauf bezeichnen. Der veränderte Fußaufsatz beeinflusst den gesamten Bewegungsablauf: Der Läufer kann den Fuß nur unwesentlich vor dem Körperschwerpunkt aufsetzen, sodass der Unterschenkel nahezu senkrecht steht.
Knie und Oberschenkelmuskeln fangen das gesamte Körpergewicht ab und werden dabei von den Muskeln und Sehnen in Fuß und Sprunggelenk aktiv unterstützt. Beim Abdruck des Fußes sind Knie- und Hüftgelenk nahezu gestreckt. Der Fuß löst sich über Fußballen und Zehen vom Boden, bevor der Läufer den Unterschenkel parallel zum Boden anhebt, um das spätere Vorschwingen des Oberschenkels zu erleichtern.
Insgesamt verkürzt die Natural Running-Technik die Schrittlänge und erhöht die Schrittfrequenz. Aber auch Armarbeit, Rumpfhaltung und Hüftstreckung verändern sich in ihrer Bewegungsqualität.
Grundsätzlich vertraut Natural Running mehr als andere Lauftechnik-Ansätze auf die natürlichen Kontroll-, Führungs- und Dämpfungsfunktionen in Fuß, sowie Unter- und Oberschenkel. Sie sollen entstehende Aufprallenergie aktiv abfangen anstatt sie passiv abzuleiten.
Vorteile des Natural-Running-Laufstils
Gründer und Befürworter des Natural Running-Laufstils sehen in ihrer Trainingsphilosophie Vorteile in puncto Trainingseffekt, Verletzungsanfälligkeit, Kraftverbrauch und Schnelligkeit:
- Trainingseffekt: Alle Muskelgruppen, Bänder und Sehnen in Fuß, sowie Unter- und Oberschenkel werden aktiv einbezogen und trainiert.
- Verletzungsanfälligkeit: Der zugrunde liegende Mittelfußlauf soll das Risiko von typischen „Läuferkrankheiten“ wie Achillessehnenentzündung, Fersensporn, Schienenbeinkantensyndrom oder Läuferknie langfristig verringern.
- Kraftverbrauch und Schnelligkeit: Veränderungen in Arm- und Beinbewegung, sowie Körperhaltung und Schrittfrequenz sollen für mehr Geschwindigkeit und geringeren Energieverbrauch sorgen.
Natural Running: Wissenschaftlicher Beweis steht aus
Auch wenn die Natural Running-Philosophie nachvollziehbar, plausibel und attraktiv klingt, so fehlt doch bis heute der wissenschaftliche Beweis ihrer Gültigkeit auf breiter Studienbasis. Dennoch spricht einiges dafür, dass Natural Running eine Lauf-Entwicklung vorzeichnet, die in die richtige Richtung deutet. Sie macht das Barfußlaufen zur Basis.
Und geht zugleich davon aus, dass ein weitgehend ursprünglicher Bewegungsablauf gesünder und zugleich effektiver ist, weil er sich im Laufe eines langen Evolutionsprozesses durchgesetzt hat. Gestärkt wird dieser Ansatz von einer im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Studie der Harvard-Universität. Sie zieht das Fazit, dass Vorder- und Mittelfußlauf dem natürlichen Laufstil deutlich näher kommen, als der heutzutage weitverbreitete Rückfußlauf, also das Aufsetzen mit der Ferse zuerst.
Zudem kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass Barfußläufer – egal ob sie über Vorder- oder Mittelfuß abrollen – die entstehenden Aufprallenergien sogar auf hartem Untergrund besser auffangen können, als Fersenläufer mit Laufschuhen. Sie vermuten daher, dass ein barfußähnlicher Laufstil auf Dauer das Verletzungsrisiko senken könnte.
Mehr Informationen zur aktuellen Studienlage finden Sie hier: Barfußschuhe Studien – Was die Wissenschaft zum Barfußschuh-Konzept sagt
Natural Running im eigenen Trainingsplan
Was genau das „Natürliche“ am Natural Running ist, ist nicht eindeutig definiert. Ausrichtung und Argumentation deuten jedoch darauf hin, dass Natural Running eine ernstzunehmende Alternative oder Ergänzung zur herkömmlichen Trainingsphilosophie sein könnte. Biologisch und evolutionär betrachtet erscheinen sowohl Technik als auch Philosophie der Natural Running-Bewegung nachvollziehbar, plausibel und grundsätzlich empfehlenswert.
Dennoch ist es nicht sinnvoll, wenn Sie von einem Tag auf den Nächsten nur noch im Sinne von Natural Running laufen. Das könnte das Verletzungsrisiko deutlich ansteigen lassen, da Sie bis dahin mit einiger Sicherheit zur großen Gruppe der Rückfußläufer zählen.
Eine Umstellung bedeutet daher das Erlernen einer anderen Lauftechnik. Ihre Muskeln, Knochen und Sehnen müssen sich zuerst langsam einen geänderten Bewegungsablauf gewöhnen. Zudem gilt es, das eigene Laufschuh-Sortiment gemäß der Natural Running-Bewegung zu ergänzen. Es empfehlen sich Laufschuhe, die dem Fuß den notwendigen Schutz vor Verletzungen bieten und ihm zugleich ohne überflüssige Dämpfungs- und Stützfunktionen maximalen Freiraum lassen. Laufschuhe aus den Kategorien Trainingsschuhe (Light-Trainer), Wettkampfschuhe oder Barfußschuhe erscheinen hier je nach Leistungsstand, Können und Untergrund als geeignet.
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