Moderne Sportschuhe sind eigentlich misst – so banal und gleichzeitig treffend lässt sich der Stand der wissenschaftlichen Forschung zusammenfassen.Als zentrale Gründe für dieses Urteil wird meist angeführt, dass weder ausgefeilte Dämpfungssysteme noch vermeintlich geniale Stützsysteme in Lauf- und Sportschuhen in den letzten Jahrzehnten dazu geführt haben, die Verletzungsrate unter Läufern zu verringern.
Im Gegenteil. Das zu viel an Schuhtechnik verleitet nachweislich viele Läufern zu einem falschem Laufstil: sie machen zu große Schritte und treten über die Ferse auf – was wiederum zu einer Fehlbelastung der Gelenke führt.
Moderne Schuhe engen die Zehen ein
Schädlich sind moderne Schuhe aber nicht, weil sie so getunt sind, Mindestens genauso schädlich ist auch der Fakt, dass die Leistenform der Schuh nicht der anatomischen Form der Füße entspricht.
Anders ausgedrückt ist es so, dass moderne Schuhe im Vorfußbereich viel zu eng geschnitten sind. Sie laufen einfach zu spitz zu. Modisch gesehen entspricht diese Konstruktion zwar unserem Schönheitsideal.
Aus biomechanischer Sicht ist ein solches Design aber fatal, weil die Zehen in eine Position gezwungen werden, in denen sie sich nicht mehr so bewegen können, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat.
Zu enge Schuhe verformen die Zehen
Laut dem Sportwissenschaftler Michael Wilkinson von der Universität von Northumbria und dem renommierten Laufexperten Lee Saxby bleibt deshalb das Tragen moderner Schuhe auf Dauer nicht ohne Folgen.
War bisher bekannt, dass die fehlende Bewegungsfreiheit der Zehen an und für sich schon Probleme in anderen Gelenken mit sich bringen kann, rücken die beiden Experten in einem Statement im Internation Journal of Sport Science noch einen anderen Aspekt in den Fokus.
Denn ihre Erkenntnisse zeigen: Wer dauerhaft zu enge Schuhe trägt, läuft Gefahr, die Zehen zu verformen und das Verletzungsrisiko in höher gelegenen Gelenken – besonders in den Knien – zu erhöhen.
Barfußgänger haben nachweislich breitere Füße
So zeigen etwa Studien eindeutig, dass Menschen die gewohnheitsmäßig barfuß laufen viel breitere Vorfüße haben als Menschen, die regelmäßig mit Schuhen umhergehen. Bei den Barfußgängern stehen die Zehen gerade, ja sogar fast fächerförmig nach vorne ab. Bei den beschuhten Testpersonen zeigt sich hingegen, dass sich die Füße sehr nach innen krümmen.
„Wo liegt das Problem?“, mag manch einer denken. Nun, um diese Frage zu beantworten, machen Sie doch bitte folgendes Experiment mit Ihrer Hand:
Stellen Sie sich vor einen Tisch und stützen Sie sich auf einer Hand auf. Breiten Sie dabei zunächst die Finger aus, so dass sie leicht gefächert aussehen, und bringen Sie mehr Gewicht auf die Hand. Wie stabil fühlt sich diese Position an?
Nun krümmen Sie ihre Finger eng zusammen, während Sie sich mit einer ähnlichen Gewichtsbelastung abstützten. Wie stabil fühlen Sie sich jetzt?
Mehr Stabilität durch breitere Füße
Wer diesen Test ernsthaft durchführt wird in der Regel feststellen, dass die erste Position mit den leicht gefächerten Fingern sich deutlich stabiler anfühlt als die zusammengekrümmte Variante. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand und ist einfache Physik: Denn der gesamte Druck verteilt sich bei ausgespreizten Fingern auf eine größere Fläche was wiederum für eine bessere Stabilität sorgt.
Und nach dem gleichen physikalischen Prinzip arbeiten auch unsere Zehen. Das heißt: Breiter Vorfuß durch breite Zehen bringt viel mehr Stabilität beim Stehen, Laufen und Gehen mit sich.
Nach Michael Wilkinson und Lee Saxby kommt vor allem dem großen Zeh eine enorme Bedeutung bei diesem physikalischem Spiel zu.
Der große Zeh: Der Star unter den Zehen
Denn dieser agiert bei der Stabilisierung und Koordination unserer Laufbewegung im Vergleich zu allen anderen Zehen sozusagen als Hauptdarsteller, während alle anderen Zehen „nur“ Nebenrollen einnehmen.
Wie wichtig der große Zeh ist, lässt sich schon daran erkennen, dass er wesentlich voluminöser ist als alle anderen Zehen. Aber auch in unserem Körper nimmt der große Zeh mehr Raum ein, als es nach außen hin scheint. So kümmert sich ein eigener Muskel darum, dass sich er sich beugen und strecken kann.
Und im Gegensatz zu unseren Vorfahren (den Affen) ist in unseren motorischen Planungs- und Steuerungszentrum (Kortex) ein eigener Bereich im Gehirn reserviert, der sich nur um die Großzehen kümmert.
Wenn der große Zeh auf die schiefe Bahn gerät
Solange der große Zeh nun in seiner natürlichen Stellung ist, kann er seiner zentralen Rolle gerecht werden und die Laufbewegung ideal stabilisieren und koordinieren.
Ist er aber im übertragenen Sinne auf die schiefe Bahn geraten, also nicht in seiner natürlichen Stellung, kann er seiner anatomisch vorgegebenen Funktion als Stabilisator und Richtungsgeber nicht mehr hundertprozentig gerecht werden.
Beispiel: In Studien wurde beobachtet, wie die Füße bei Menschen abrollen, deren Großzehen sehr weit hin zum zweiten Zeh gekrümmt waren. Als Ergebnis zeigte sich, dass deren Füße beim Aufsetzen der Füße zu stark nach innen abknicken (also überpronieren).
Der Grund für dieses Ergebnis: Durch die fehlende Abspreizung können die Großzehen die Abrollbewegung nach innen nicht ausreichend stützen. Es fehlt schlicht und ergreifend der nötige Hebel, um der Abrollbewegung nach innen ausreichend Widerstand entgegenzusetzen.
Die Folge: Höher gelegene Gelenke wie zum Beispiel die Knie müssen Ausgleicharbeit leisten und werden dadurch unnatürlich mehr gefordert. Überlastungsreaktionen bis hin zu Verletzungen können folgen.
Fazit: Durch moderne Schuhe verlieren Füße Form und Funktion
Zusammengefasst kann man also festhalten: In modernen Schuhen quetschen sie ihre Zehen so sehr ein, dass sie ihre natürliche Aufgabe als Stabilisator und Richtungsgeber beim Stehen, Gehen und Laufen nicht mehr voll nachkommen können.
Wer dauernd solche Schuhe trägt läuft Gefahr seine Zehen zu verformen (bis hin zu Valgus-Fehlstellungen) und andere Gelenke zu überlasten (bis hin zu Rückenschmerzen).
Übrigens: Die Verformung der Zehen kann schneller gehen, als man denkt. Schon sechs Wochen in normalen Schuhen können bei Jugendlichen reichen, um eine Fußfehlstellung zu entwickeln. Das beobachteten Wissenschaftler bei Jugendlichen, die normalerweise barfuß gehen und dann Schuhe tragen sollten.
Fußverformungen können reversibel sein
Die gute Nachricht ist: Viele Verformungen an den Füßen lassen sich umkehren. Das ist auch der Grund, warum bei Fußfehlstellungen wie etwa Platt-, Spreiz- oder Senkfüßen oder Hallux-Deformationen der Großzehe zum Barfußgehen geraten wird.
Denn beim Barfußgehen erhalten die Zehen wieder Raum und Luft, um sich so auszudehnen (beim Aufsetzen des Fußes) und zu greifen (beim Stützen und Gehen) wie es normalerweise sein sollte. Dadurch werden die Fußmuskeln gestärkt und die Zehen können auf Dauer ihre natürliche Position wieder (etwas) zurückerlangen.
Barfußschuhe als Hilfsmittel
Man muss aber nicht nur Barfußgehen, um seinen Füßen etwas gutes zu tun. Es großer Schritt ist schon getan, wenn Sie einfach auf „anderes“ Schuhwerk setzen, welches die natürliche Form und Funktion unserer Füße nicht einschränkt – und hier kommen Barfußschuhe ins Spiel.
Denn wirklich gute Barfußschuhe sind nicht nur flach und flexibel, sondern speziell im Vorfußbereich so geschnitten, dass sie der Anatomie der Füße entsprechen und damit den Zehen den natürlichen Bewegungsraum geben.
Konkret bedeutet das: Barfußschuhe sind generell weiter geschnitten und engen den Fuß nicht ein. Deshalb fühlt es sich für die meisten erst einmal ungewohnt und auch irritierend an, sobald sie das erste Mal in Barfußschuhe schlüpfen – das ist bis zu einem gewissen Grad völlig normal. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich an diese neue „Feeling“ im Schuh.
Das heißt aber nicht, dass sie in den Schuhen „schwimmen“ sollen. Achten Sie einfach darauf, dass speziell im Zehenbereich die Füße viel Platz nach vorne und vor allem zu den Seiten haben. Ansonsten darf der Schuh bis zu Mitte ruhig am Fuß anliegen.
Als Regel gilt: Drückt der Schuh von außen auf die Zehen, ist das in der Regel kein gutes Zeichen, dann sollten sie nach einem anderem Anbieter Ausschau halten.
Tipp: Meiden Sie Billig-Anbieter
Der Barfußschuh-Markt ist in den letzten Jahren quasi explodiert. Die Nachfrage steigt, was wiederum Anbieter auf den Plan ruft, welche Schuhe als Barfußschuhe verkaufen, die aber letztlich nur zum Teil die Kriterien eines guten Barfußschuhs erfüllen.
Auf den ersten Blick kommen diese Modelle tatsächlich wie Barfußschuhe daher. Sie sind leicht, mit einer dünnen Sohle ausgestattet und sehr flexibel.
Was aber meist fehlt ist die nötige Zehenfreiheit im Schuh – was wiederum daran liegt, dass die Schuhe nicht anatomisch korrekt geformt sind. Das heißt: Wie moderne Schuhe auch laufen bei den allermeisten Billig-Barfußschuhen die Leisten vorne spitz zu – und engen damit die Zehen ein. Welche negative Folgen das haben kann, habe ich ausführlich in diesem Artikel beschrieben.
Hintergrundinfos finden Sie hier: Die 5 Merkmale eines guten Barfußschuhs
Empfehlenswerte Marken: Setzen Sie auf Hersteller mit Qualität
Bei welchen Herstellern sind Sie nun in puncto Zehenfreiheit am besten aufgehoben? Die einfache Antwort: Bei allen Barfußschuh-Herstellern, deren Form sich an der Anatomie der Füße orientiert.
Da es für den Laien nun nicht so einfach ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, stellen wir Ihne hier kurz die Marken vor, die aus unserer Sicht das Konzept der Zehenfreiheit am besten umsetzen und entsprechend zu den qualitativ besten Barfußschuh-Herstellern zählen:
Joe Nimble
Joe Nimble ist sicherlich der Anbieter, dem der Aspekt der Zehenfreiheit am wichtigsten ist. Bemerkenswert: Schon bevor Barfußschuhe überhaupt auf dem Markt waren, setzte das deutsche Familienunternehmen mit der Marke Bär darauf, Schuhe zu produzieren, in den sich die Füße frei bewegen können.
Entsprechend konsequent setzen sie das Prinzip bei ihren Schuhen auch fühlbar um. Aus unsere Sicht ist Joe Nimble die Marke, der es am besten gelingt, den Zehen viel Freiraum zu geben und gleichzeitig einen guten Halt im Schuh zu ermöglichen.
> Mehr Infos zu Joe Nimble in unserem Markenportrait
Sole Runner
Sole Runner achtet ebenfalls sehr auf anatomisches korrekt geformtes Schuhwerk. Was uns sehr gut gefällt: Es gibt Schuhe, bei denen man zwischen der Weite wählen kann. So unterscheidet Sole Runner zum Beispiel zwischen normal, weit und extra weit. Das schafft mehr Spielraum für die individuelle Auswahl.
Für Menschen mit sehr schmalen Füßen sind dann zum Beispiel eher Schuhe empfehlenswert, die normal, maximal weit geschnitten sind.
> Markenportrait von Sole Runner
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ZAQQ
ZAQQ ist ein deutscher Hersteller, der auf Barfußschuhe für den Alltagsbereich spezialisiert hat. Die Auswahl reicht von schicken Sneakern über Barfuß-Ballerina bis hin zu edlen Lederschuhe-Barfußschuhe, die sogar zum feinen Business-Outfit passen.
Was uns gut gefällt an ZAQQ: Trotz des anatomisch gerechten und weiten Schnitts im Vorfußbereich fallen die Schuhe optisch nicht wirklich als „andersartig“ auf.
> Mehr zu ZAQQ hier im ausführlichen Markenportrait
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Vivobarefoot
Vivobarefoot achtet ebenfalls auf den Aspekt der Zehenfreiheit im Schuh, allerdings nicht ganz so konsequent wie etwa Joe Nimble.
Die Schuhe von Vivobarefoot gefallen uns optisch sehr gut, auch beim Tragegefühl überzeugen sie. Schade ist, dass bei manchem Modellen (nicht bei allen!) der Halt im Schuh ab und an etwas zu wünschen übrig lässt, weil die Schuhe auch im Fersenbereich etwas weit geschnitten sind. Aufgefallen ist uns das zum Beispiel bei Alltags- und Winterschuhen. Die Sport- und Outdoorschuhe von Vivobarefoot sitzen hingegen sehr gut.
> Das Vivobarefoot Markenportrait
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Leguano
Leicht, flexibel und frei: Das sind die Attribute, mit denen sich die Marke Leguano aus unserer Sicht am besten beschreiben lässt. Die Schuhe von Leguano geben den Füßen sehr viel Bewegungsfreiraum und beziehen im Schuhkonzept die Bedeutung der Zehenfreiheit ganz klar mit ein.
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Xero Shoes
Xero Shoes ist ein amerikanischer Hersteller, der ursprünglich nur Barfuß-Sandalen hergestellt hat und mittlerweile weltweit mit seinen Barfußschuhen durchstartet. Die Schuhe gefallen uns sehr gut, weil sie den Füßen in jedem Bereich sehr viel platz geben und gleichzeitig aber auch sehr gut am Fuß sitzen.
> Zum Markenportrait von Xero Shoes
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Vibram FiveFingers
Last but not Least natürlich die Vibram FiveFingers – die Zehenschuhe unter den Barfußschuhen. Das tolle an den FiveFingers: Sie biegen die Zehen bereits beim Anziehen auseinander und zwingen die sie damit schon allein durch ihre Konstruktion in eine anatomisch gesunde Stellung.
Der Nachteil: Das Zehenschuh-Prinzip muss man mögen, was nicht bei jedem der Fall ist. Denn allein das Anziehen braucht bei den meisten etwas Übung. Auch das Gefühl, jeden Zeh in einer eigenen Box zu spüren, ist gewöhnungsbedürftig.
Darüber hinaus kommen die Zehenschuhe von Vibram aufgrund des eigenwilligen Aussehens schon rein optisch für manche nicht in Frage.
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Von Barfuß-Sandalen bis Sockenschuhe – weitere empfehlenswerte Marken mit viel Zehenfreiheit
Sie sind noch nicht fündig geworden. Dann gibt es natürlich noch mehr empfehlenswerte Barfußschuh-Marken, die ihren Zehen die Freiheit zurückgeben, die sie brauche, unter anderem:
- Luna Sandals – für alle die nach geeignete Barfuß-Sandalen suchen
- Freet Shoes – ein englischer Anbieter, der unter anderem Schuhe herstellt, bei denen der große Zeh in eine eigens für ihn vorgesehene Box gesteckt wird
- Skinners Sockenschuhe – für alle, die nach noch mehr Barfußgefühl suche
Lesetipp: Wer sich in das Thema Schuhe und deren Auswirkungen auf unsere Füße beschäftigen möchte dem empfehle ich folgenden Artikel:
International Journal of Sports and Exercise Medicine 2018, 4:090
Dieser Artikel, der unter anderem als Quelle für diesen Artikel diente, beschreibt nicht nur, wie sich die Form der Schuhe negativ auf die Fußform auswirkt. Sondern er erläutert auch in einer für einen wissenschaftlichen Artikel noch lesbaren Sprache, wie modernes Schuhwerk das Laufverhalten negativ verändert und die Sensibilität unserer Füße herabsetzt.