Dank ihrer dünnen Sohlen erhalten unsere Füße durch Barfußschuhe mehr Feedback darüber, wie der Untergrund, auf dem wir gerade unterwegs sind, beschaffen ist. Steine, dünne und dicke Äste, kleine Unebenheiten, Wurzeln, Bordsteinkanten oder Bordsteinrillen nehmen wir dadurch viel feiner wahr.
Für Sehende mögen diese zusätzlichen Informationen gar keine so große Bedeutung haben – zumindest, wenn es darum geht, sich entspannt und sicher im Alltag zu bewegen. Bei blinden und sehbehinderten Menschen sieht das anders aus. Sie sind beim Gehen und Laufen ganz besonders auf den Tatsinn ihrer Füße angewiesen. Jede zusätzliche Information, die an den Fußrezeptoren ankommt, kann ihnen helfen, ihr Bild von ihrer Umgebung zu verfeinern.
Wie sehr Barfußschuhe blinden und sehbehinderten Menschen bei der Orientierung im Alltag nützlich sein können, darüber habe ich mit Nina Schweppe gesprochen. Sie ist blind und trägt seit knapp einem Jahr Barfußschuhe.
Hallo Nina! Immer mehr blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderung berichten, dass Barfußschuhe für sie eine Art zusätzliche Mobilitätshilfe im Alltag sind. Du trägst nun auch seit einiger Zeit Barfußschuhe. Wie fällt dein Fazit aus? Helfen dir Barfußschuhe, dich leichter im Alltag zu bewegen?
Nina Schweppe: Ja, auf jeden Fall. Barfußschuhe sorgen durch die dünneren Sohlen dafür, dass ich viel mehr vom Boden spüre. Dadurch erhält mein Körper deutlich mehr Informationen. Ich spüre zum Beispiel Unebenheiten wie eine Bordsteinkante viel bewusster und kann sie besser ausgleichen. Oder wenn ich zum Beispiel Bus oder Bahn fahre stehe ich viel stabiler.
Bei herkömmlichen Schuhen mit dicken Sohlen musste ich mich beim Stehen im Bus auf jeden Fall festhalten. Mit Barfußschuhen kann ich die Schwingungen beim Fahren besser spüren und darauf reagieren – ich brauche im Stehen nicht unbedingt ein Fahrgaststange, um nicht umzufallen. Barfußschuhe sorgen also bei mir für sicherere Schritte und mehr Standfestigkeit.
Was ich merke: Vor allem über die Zehen werden im Barfußschuhen taktile Informationen viel besser übermittelt als in herkömmlichen Schuhen, in denen das durch die Dämpfung und die Mengen am Material gar nicht möglich ist. Dies hilft mir nicht nur Stufen sondern auch oder die taktilen Bodenindikatoren, die zum Beispiel Bahnsteigkanten markieren, leichter wahrzunehmen. Insgesamt ist ein entspannteres Laufen mit Hilfe dieser zusätzlichen Informationen für mich möglich.
Ein wichtiger Alltagshelfer für Dich ist dein Stock. Ist dein Stock nun als Orientierungshelfer weniger wichtig, seitdem du Barfußschuhe trägst? Oder hilft Dir die Kombi Stock und Barfußschuhe ein noch differenziertes Bild von dem Ort zu bekommen, wo Du Dich gerade bewegst?
Nina: Genau letzteres ist richtig. Der Stock ist dazu da, den nächsten Schritt zu sichern. Die Information, die der Stockgänger über Hand und Arm erhält, liegt also noch eine Schrittlänge in der Zukunft. Somit kann man sich auf eine Treppe oder eine Unebenheit schon einmal einstellen. Durch die Sensibilität, die die Barfußschuhe liefern, kann man nun die Feinarbeiten besser erledigen.
Der Moment, wenn man die Treppenstufe oder eine Bordsteinkante erreicht, kann präziser festgestellt werden. Man bekommt quasi über den Stock zuerst eine grobe Information über die Umgebung, die man durch die Barfußschuhe verfeinerter einordnen kann. Der Stock oder Führhund ist nach wie vor unverzichtbar, da er sozusagen in die Zukunft schauen kann.
Haben Barfußschuhe dein Leben auch in anderen Bereichen verändert, außer beim Thema Mobilität?
Nina: Ich bemerke eine Entspannung in vielen Lebensbereichen. Dadurch, dass ich mich beim Laufen nicht mehr so konzentrieren muss, ist es weniger anstrengend. Ich habe Energie für andere Dinge. Somit gewinne ich eine neue Sensibilität im Alltag. Außerdem hatte ich das Problem, dass mein ganzer Körper immer stark verspannt war.
Das ist ein Problem, das in der Bevölkerung sehr verbreitet, unter blinden und sehbehinderten Menschen aber noch viel gravierender ist. Sobald ich mit den Barfuß-Schuhen los laufe, merke ich, wie sich die ganze Wirbelsäule entspannt. Spannungskopfschmerzen oder Schmerzen in Rücken und Schultern gehören seit meinem konsequenten Wechsel zu Barfußschuhen beinahe vollständig der Vergangenheit an.
Helfen Dir Barfußschuhe auch Sachen auszuprobieren, die Du vorher vielleicht nicht so gemacht hast?
Nina: Bis jetzt hat sich die Gelegenheit noch nicht so ergeben. Ich würde aber mutiger und selbstbewusster agieren, weil ich mehr Informationen über die jeweilige Situation erhalten würde und ich mir meiner Körperposition und der Standfestigkeit sicher sein könnte. Ich hatte nämlich mit konventionellen Schuhen viele Stürze, die jetzt auch der Vergangenheit angehören.
Viele Barfußschuh-Einsteiger:innen berichten, dass , dass sie etwas Zeit brauchten, um sich an Barfußschuhe zu gewöhnen, weil die Fußmuskeln mehr gefordert werden. Wie waren deine Erfahrungen?
Nina: Ich hatte im letzten Sommer die Gelegenheit genutzt, drei Wochen vollständig barfuß zu laufen. Dadurch hatte ich offensichtlich meinen Körper und meine Füße hervorragend vorbereitet. Ich brauchte nur zwei oder drei Tage, um ohne Probleme laufen zu können.
Nina, vielen lieben Dank für das Gespräch!
Infos über Nina Schweppe
Ich bin als Frühchen auf die Welt gekommen und habe den Brutkasten gesund, bis auf meine Augen, verlassen. Seit über 20 Jahren bin ich, als Sozialpädagogin, in verschiedenen Bereichen der Beratung behinderter Menschen tätig.
Mit 45 Jahren erfüllte ich mir den Traum, einen neuen beruflichen Weg zu beschreiten und wurde Ernährungsberaterin. Ergänzt durch eine gründliche Ausbildung in den Bereichen Schlaf und Chronobiologie konnte ich mich als chronobiologischer Coach weiter entwickeln.
BEB-Schweppe wurde 2018 von der Inhaberin, Nina Schweppe, gegründet. Besser leben mit dem eigenen Biorhythmus steht für die drei großen Bereiche gute Ernährung, erholsamer Schlaf und mentale Gesundheit. Die Gründerin verfügt über eine besondere Expertise im Bereich der Chronobiologie
Mehr Infos unter bep-schweppe.de